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Dr. Alexander Wagner, Geschäftsführer Infraserv Höchst

„Wir müssen die Industrie in Deutschland halten“

Infraserv Höchst versteht sich als strategischer Partner der Industrie und übernimmt Verantwortung weit über die klassische Infrastruktur hinaus. Im Gespräch erläutert Geschäftsführer Dr. Alexander Wagner,  wie das Unternehmen Standortbedingungen stärkt, Innovationsprojekte vorantreibt – und warum es gerade jetzt darum geht, die Industrie in Deutschland zu halten.

Sie beschreiben sich als Partner der Industrie, wie unterstützen Sie Unternehmen konkret dabei, ihre Produktions- und Standortinfrastruktur effizient zu betreiben?

Unser Fokus liegt auf allem, was zwar nicht direkt zur chemisch-pharmazeutischen Produktion gehört – aber für eben jene essenziell ist. Wir betreiben die gesamte Standortinfrastruktur: von Straßen, Kanälen und Rohrbrücken bis hin zur Energieversorgung und -Entsorgung. Hinzu kommen Dienstleistungen wie Logistik, Arbeitssicherheit, Facility Management oder Arbeitsmedizin. Ferner bieten wir über unsere Bildungstochter Provadis Aus- und Weiterbildungen an – sogar mit eigener Hochschule.

So schaffen wir die Rahmenbedingungen, damit sich unsere Kunden auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Insgesamt sorgen wir mit rund 3.000 Mitarbeitenden im Industriepark Höchst dafür, dass der Standort mit seinen rund 20.000 Beschäftigten reibungslos und sicher funktioniert.

Der industrielle Mittelstand steht vor zahlreichen Herausforderungen – von der Energiewende bis zur digitalen Transformation. Wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf?

Es steht außer Frage, dass viele Punkte, die im Koalitionsvertrag formuliert wurden, inhaltlich richtig und wichtig sind – entscheidend ist nun aber, dass daraus auch konkretes politisches Handeln folgt. Der industrielle Mittelstand steht massiv unter Druck, dabei sind die Energiepreise ein zentrales Thema. Während Energie z.B. in den USA nur etwa ein Viertel so teuer ist wie hierzulande, spüren energieintensiven Branchen diese Differenz ganz besonders. Hinzu kommt eine teils überbordende und instabile Regulierung auf EU- und Bundesebene. Unternehmen brauchen hier dringend mehr Verlässlichkeit und Konstanz.

Einige Herausforderungen sind hier sicher hausgemacht: Wer Energie künstlich verknappt, treibt die Preise. Subventionierte Industriepreise sind jetzt ein Instrument, um Abhilfe zu schaffen, jedoch keine langfristige Lösung – da braucht es strukturelle Reformen. Oberste Priorität sollte sein, die Industrie in Deutschland zu halten: Dafür braucht es Planungssicherheit, verlässliche Rahmenbedingungen und eine realistische Energiepolitik. Die chemische Industrie hat in den letzten 100 Jahren bewiesen, dass sie sich wie kaum eine andere Industrie wandeln kann. Dennoch braucht Transformation Zeit, Substanz und Augenmaß.

Durch verschiedene Projekte positionieren Sie sich zunehmend auch als Innovationspartner. Welche Zukunftsthemen treiben Sie besonders stark voran?

Ein zentrales Thema ist für uns die nachhaltige Energieversorgung: Unser jährlicher Verbrauch liegt bei rund 2.000 GWh Strom und 3.500 GWh Erdgas – diesen wollen wir langfristig klimaneutral stellen. Schon heute haben wir etwa 25 Prozent unseres Stroms aus grünen Quellen abgesichert. Zudem haben wir ein neues Gaskraftwerk errichtet, das perspektivisch auf Wasserstoff umgestellt werden kann, sobald dieser in ausreichender Menge verfügbar ist.

Wir setzen bewusst auf eine Transformation mit Augenmaß – ökologisch notwendig, aber zugleich politisch realisierbar und wirtschaftlich tragfähig. Ein Beispiel für unseren Innovationsansatz ist unsere Zusammenarbeit mit Ineratec: Hier, in unmittelbarer Nähe zum Frankfurter Flughafen, ist die in Europa größte Anlage für synthetisches Kerosin an den Start gegangen – ein echtes Pionierprojekt. Die beiden Ausgangsstoffe für die neue Anlage kommen direkt aus dem Industriepark: Das CO2 stammt aus einer Biogasanlage, die Abfälle recycelt, der Wasserstoff ist ein Nebenprodukt einer Chlorproduktion.

Schon 2006 wurde eine Wasserstoff-Tankstelle für Pkw am Industriepark Höchst in Betrieb genommen. Vor einigen Jahren kam die Tankstelle für Wasserstoffbetriebene Loks hinzu, die im Auftrag des Rhein-Main-Verkehrsverbundes in der Region eingesetzt werden. Zudem testen wir im Bereich CCU (Carbon Capture Utilization) eine erste Pilotanlage zur CO₂-Abscheidung und engagieren uns für den rechtzeitigen Anschluss unseres Industrieparks an die künftige Wasserstoffinfrastruktur.

Wir verstehen uns als Enabler dieser Transformation – mit dem Ziel, Industrieprozesse klimafreundlich weiterzuentwickeln, ohne sie zu gefährden. Denn nur so kann Deutschland langfristig klimaneutral und gleichzeitig wirtschaftlich stark bleiben.

Wie verändert sich aus Ihrer Sicht die Rolle eines Infrastrukturbetreibers im Kontext von Nachhaltigkeit, Digitalisierung und globalem Wettbewerb?

Unsere Rolle wandelt sich fundamental: Früher ging es primär darum, Infrastruktur verlässlich zu betreiben – heute müssen wir unseren Kunden ermöglichen, ihre Produktion unter zunehmend komplexen Rahmenbedingungen wirtschaftlich aufrechtzuerhalten. Nachhaltigkeit ist dabei ein großes Thema, doch aktuell verdienen viele Unternehmen weniger, wenn sie nachhaltiger wirtschaften. Hier entsteht ein Henne-Ei-Problem, das wir gemeinsam mit unseren Kunden lösen müssen.

Ein wesentlicher Hebel ist die Optimierung der Kostenstrukturen – etwa durch Digitalisierung und Automatisierung, zum Beispiel mithilfe von KI. Diese Technologien können Prozesse effizienter machen, werfen aber zugleich Fragen zur Zukunft von Arbeitsplätzen auf. Genau deshalb investieren wir gezielt in Aus- und Weiterbildung. Mit unserer eigenen Bildungseinheit schaffen wir Angebote, um Mitarbeitende fit für neue Aufgaben zu machen und sie gezielt in andere Bereiche zu entwickeln, die gefragt sind.

Unsere Verantwortung geht inzwischen weit über den technischen Betrieb hinaus: Intern geht es darum, Effizienz zu steigern und gleichzeitig attraktiv als Arbeitgeber zu bleiben– extern darum, unsere Kunden und ihre Belegschaften im Wandel aktiv zu begleiten.

Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit unseren NORD/LB Kollegen?

Was wir an der Zusammenarbeit mit der NORD/LB besonders schätzen, ist das offene und vertrauensvolle Miteinander. Es ist uns wichtig, dass man gemeinsam an einem Strang zieht, Herausforderungen offen anspricht und lösungsorientiert diskutiert – genau das erleben wir in dieser Partnerschaft. Besonders wertvoll ist für uns, dass wir auf Partner treffen, die sich wirklich die Mühe machen, unser Geschäftsmodell zu verstehen. Mit der NORD/LB haben wir ein Gegenüber, dass diesen Anspruch verkörpert und auf Augenhöhe agiert.

Auch in schwierigen Situationen, in denen es zu kurzfristigen Veränderungen kommt, kommunizieren wir zeitnah offen und transparent. Vertrauen zeigt sich nicht, wenn alles reibungslos läuft – sondern gerade dann, wenn es einmal nicht rund läuft. Und genau in solchen Momenten haben wir erlebt, wie stark und partnerschaftlich die Zusammenarbeit ist.

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