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ESG Advisory & Öffentliche Refinanzierung der NORD/LB

„Nachhaltigkeitsbemühungen dienen keinen Berichtspflichten"

Die Omnibus-Verordnung der EU hat jüngst bestimmte Berichtspflichten innerhalb der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verschoben oder entschärft. Doch der Eindruck, dass dadurch weniger Handlungsdruck in Sachen ESG besteht, ist trügerisch. Warum nachhaltiges Wirtschaften unabhängig von gesetzlichen Vorgaben relevant bleibt und wie sich ESG-Kriterien konkret auf Kreditvergabe und Finanzierungsstrukturen auswirken, erklärt Anja Schaks, ESG Advisory & Öffentliche Refinanzierung der NORD/LB, im Interview.

 

Wie beeinflusst die Omnibus-Verordnung konkret Ihre Beratung und Produktgestaltung im Firmenkundengeschäft?

Die Omnibus-Verordnung verschiebt bzw. entschärft voraussichtlich bestimmte Berichtspflichten innerhalb der CSRD, insbesondere für mittelgroße Unternehmen und Drittstaaten-Tochtergesellschaften. Auf den ersten Blick führt dies zum Trugschluss, dass weniger Handlungsbedarf im Bereich Nachhaltigkeit besteht. Doch genau hier liegt ein zentrales Missverständnis: Nachhaltigkeitsbemühungen und Transformation dienen nicht möglichen Berichtspflichten, sondern der unternehmerischen Ausrichtung auf Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftssicherung. Aus diesem Grund fokussiert sich unsere Beratung von Beginn an nicht auf regulatorische Pflichten, sondern auf die strategische Notwendigkeit, ESG-Aspekte ganzheitlich ins Geschäftsmodell zu integrieren. Selbst wenn die Berichterstattungspflichten zeitweise entfallen oder gelockert werden, bleiben andere Treiber bestehen. Kunden, Investoren und Lieferketten fordern zunehmend ESG-konformes Handeln, sodass hierdurch Marktzugang und Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden. Ferner bestehen Reputationsrisiken bei Nachhaltigkeitsverfehlungen. Wer außerdem seine zukünftige Finanzierungsfähigkeit gewährleisten will, sollte auch ohne CSRD-Reporting zunehmend Transparenz, Risikosteuerung und ambitionierte ESG-Ziele verfolgen.

In der Produktgestaltung reagieren wir darauf mit flexiblen Angeboten, die ESG-Aspekte abbilden, z. B. durch ESG-linked Loans, Begleitung bei Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung oder Beratungsangebote, auch mit verschiedenen Kooperationspartnern. Die Omnibus-Verordnung ändert also nicht das Ziel, sondern vorübergehend den Pfad dorthin.

Wie unterstützt die NORD/LB Firmenkunden konkret bei der ESG-Transformation, zum Beispiel bei der Integration von Nachhaltigkeitszielen in deren Finanzierungsstruktur?

Die ESG-Transformation ist eine ökologische wie ökonomische Aufgabe. Wir als NORD/LB begleiten Firmenkunden dabei mit einem ganzheitlichen Beratungsansatz, der drei Phasen umfasst. Zunächst geht es um die Strategische Standortbestimmung, bei der ermittelt wird, wo das Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit steht, welche regulatorischen Anforderungen gelten – jetzt und perspektivisch – und wo die größten Hebel zur Resilienzsteigerung, Dekarbonisierung und Erhöhung der sozialen Verantwortung liegen. Im nächsten Schritt geht es an die ESG-Roadmap und Zieldefinition, also die Entwicklung einer unternehmensspezifischen ESG-Strategie. Dies umfasst die Festlegung messbarer Nachhaltigkeitsziele sowie die Integration dieser Ziele in die Geschäfts- und Finanzplanung. Im dritten Schritt folgen dann die Finanzierungsstruktur und Umsetzung.

Hier unterstützen wir in der Fördermittelberatung, beispielsweise bei der Finanzierung von Transformationsprojekten und der Strukturierung von ESG-linked Loans oder SSD, bei denen Nachhaltigkeitsziele vertraglich verankert sind.

Wir agieren hier also nicht nur als Kapitalgeber, sondern als strategischer Transformationspartner, auch mit Blick auf ESG-Daten, Taxonomie oder Reporting-Konformität sowie Risiko- und zukünftig auch Ratingauswirkung.

Welche Rolle spielen ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe und Risikoanalyse im Firmenkundengeschäft der NORD/LB?

ESG-Kriterien sind integraler Bestandteil der Kreditvergabeprozesse und beeinflussen insbesondere die Risikopositionierung eines Unternehmens. Um diese zu ermitteln, integrieren wir ESG-Risiken – insbesondere physische Klimarisiken wie Hochwasser und transitorische Risiken wie die CO2-Bepreisung – systematisch in die Risikobewertung. Darüber hinaus nutzen wir ein ESG-Scoring, um Nachhaltigkeitsprofile und Transformationsrisiken zu bewerten. Zukünftig ist damit zu rechnen, dass ESG- und Nachhaltigkeitsmerkmale unmittelbar in die Bonitäts- und Risikoanalyse der Kunden einfließen werden. Durch diese Bewertungen können Kunden Einfluss auf ihre Konditionen nehmen. Unternehmen mit klaren ESG-Strategien können etwa von besseren Finanzierungskonditionen, u. a. durch ESG-linked Pricing, profitieren. Das Ziel ist ein Risikomanagement, das nicht nur klassische Bilanzkennzahlen, sondern auch Zukunftsfähigkeit im ESG-Sinne einbezieht.

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für Banken – und speziell für die NORD/LB – in ihrer Rolle als Treiber der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft?

Als Bank und ESG-Beratungspartner helfen wir Firmenkunden aktiv die unternehmerischen Chancen der Transformation zu nutzen – strategisch, operativ und finanziell. So positionieren wir uns als strategischer Partner und sind noch tiefer in Kundenbeziehungen eingebunden. Außerdem können wir Produkte zur Verfügung stellen, welche die Transformation der Wirtschaft und damit des NORD/LB Portfolios fördern. Hierzu zählen neben klassischen ESG-linked Loans auch Förderkredite, Transformationskredite oder auch nachhaltige Kapitalmarktinstrumente.

Wer heute glaubwürdig Nachhaltigkeit fördert, gewinnt das Vertrauen von Kunden, Öffentlichkeit und Investoren. Oberste Priorität ist jedoch, kontinuierliche Weiterbildung und Anpassung im Auge zu behalten und Datenverfügbarkeit zu gewährleisten. Ohne verlässliche ESG-Daten werden Risikobewertung und unsere Beratung erschwert. Darüber hinaus müssen wir als Bank mit gutem Beispiel vorangehen und ESG-Prinzipien vorleben – intern wie extern. Die NORD/LB hat hier eine gestalterische Rolle als aktiver Treiber nachhaltiger Geschäftsmodelle, nicht nur als Reaktion auf Regulatorikanforderungen.

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