Auf ein Wort mit Sönke Refardt

„Der Trend zu pflanzlichen Proteinen entwickelt sich zu einem festen Marktsegment.“

Ein Interview mit Sönke Refardt, Leiter Firmenkunden Ernährungswirtschaft bei der NORD/LB, über den Megatrend pflanzliche Proteine.
 

Frage: Pflanzliche Proteine sind eines der Trendthemen der Nahrungsmittelindustrie. Von welchen Veränderungen ist die Branche gekennzeichnet?

Sönke Refardt: Bei der NORD/LB sprechen wir hier in der Regel von der Wertschöpfungskette Ernährungswirtschaft. Und in dieser sind die Herausforderungen durchaus vielfältig und betreffen dann tatsächlich mehrere oder sogar alle Abschnitte dieser Kette: neben dem erwähnten Thema der alternativen Proteine stehen die Diskussion über die Haltungsformen in der Tierhaltung und das kürzlich verabschiedete Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz ganz oben.

Frage: Einige Hersteller haben den Trend zu Fleischersatzprodukten sehr früh erkannt und sind bereits zu Marktführern herangewachsen. Welche Nischen gibt es noch für einen Einstieg in den Markt?

Sönke Refardt: Unser Eindruck aus den Diskussionen mit unseren Kunden ist, dass sich dieser Trend zu einem festen Marktsegment entwickeln und somit Raum für viele bieten wird. Die Generationen Y und Z sind in ihrem Kaufverhalten sehr viel unvoreingenommener und entscheiden nach Geschmack und weniger nach Kategorien. Insoweit sind der Fantasie der Produktentwickler keine Grenzen gesetzt und die große Zahl von Start-ups im Food-Sektor sowie das dort investierte Kapital unterstreichen das.

Frage: Wie gelingt der Einstieg in das Segment und welches sind die Herausforderungen?

Sönke Refardt: Der Einstieg gelingt heute offenbar tatsächlich zunächst über ein gelungenes „Ersatz“-Produkt, da die Verbraucher-Akzeptanz hier am höchsten ist. Die größten Herausforderungen der näheren Zukunft sind unter anderem die Fragen nach der geeigneten Rohstoffbasis wie Soja, Erbse, Lupine, usw. und deren Herkunft. Ironischerweise fragt heute kaum ein Käufer dieser Produktrange danach, wo der Rohstoff herkommt und unter welchen Bedingungen er erzeugt wurde, während dies bei konventionellen Produkten durchaus eine zunehmende Rolle spielt. Das Image dieser Produktalternativen ist per se gut, auch wenn die Inhaltsstoffe vorher einmal um die Welt transportiert wurden.

Frage: Ist die Umstellung der Produktion mit Finanzierungswünschen Ihrer Kunden verbunden?

Sönke Refardt: Bei etablierten Marktteilnehmern in der Regel ja. Die Start-up-Szene wird im Wesentlichen mit Venture Capital versorgt. Im Jahr 2020 waren beispielsweise weltweit EUR 3,1 Mrd. in diesem Segment investiert, Tendenz steigend.

Frage: Was ist die Herausforderung bei diesen Finanzierungen und wie begegnen Sie diesen?

Sönke Refardt: Die größte Herausforderung ist die der Einschätzung des Marktes und der Marktgängigkeit der Produkte. Insoweit fragen wir unter anderem nach Abnahmeverträgen oder ähnlichen Vereinbarungen. Leichter wird es, wenn ein etablierter Marktteilnehmer investiert. Die technische Seite ist heute in der Regel bereits erprobt und stellt somit kein großes Finanzierungshindernis dar. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit den relevanten Förderbanken in Bund und Ländern zusammen.

Frage: Wo sehen Sie das Thema Proteine in zehn Jahren?

Sönke Refardt: Im Rahmen unseres gemeinsam mit der EbnerStolz Management Consult im März 2021 durchgeführten Branchendialogs haben wir u.a. diese Frage gestellt. In der Branche geht man von einem Marktanteil von mindestens 10 bis maximal 20 Prozent aus. Die Ernährung wird vielfältiger und die Frage nach tierischer oder pflanzlicher Herkunft der Produkte weniger dogmatisch gesehen. Es wird interessant zu beobachten sein, inwieweit Proteine aus Insekten oder sogenanntes In-Vitro-Fleisch eine wesentliche Rolle spielen werden.

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