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Interview mit Dr.-Ing. Volker Heinz

„Die Thematik künstlicher Proteine ist deutlich komplexer“

Im Gespräch erklärt Dr.-Ing. Volker Heinz, Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e. V., was auf dem Weg in eine nachhaltige Ernährungsindustrie zu beachten ist und welchen Anteil künstliche Proteine im Verhältnis zu tierischen in zehn Jahren haben könnten.

Frage: Künstliche Proteine sind das Trend-Thema der Lebensmittelindustrie in den letzten Jahren. Welche Fragen gilt es auf dem Weg in eine nachhaltige Ernährungsindustrie zu beantworten?

Volker Heinz: Die Thematik künstlicher Proteine ist deutlich komplexer als es in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Wer tierische Proteine ersetzen will, muss auch die bislang aus tierischem Fleisch und Milch stammenden Fettquellen ersetzen. Und hier gibt es als natürliche Fettquellen derzeit nur die umstrittenen Quellen Palm- und Sojaöl. Zur Lösung dieser Frage müssen wir also den gesamten bisherigen Kreislauf neu denken und das Thema pflanzliche Fette mit auf die Agenda setzen.

Frage: Ist der stetig steigende Bedarf an pflanzlichen Proteinen mit dem derzeitigen System langfristig zu befriedigen?

Volker Heinz: Weltweit decken Weizen mit 20 Prozent und Reis mit 12 Prozent den größten Teil der Bedarfe an Proteinen, gefolgt von Geflügel, Schwein, Rind und so weiter. Bei den pflanzlichen Proteinen, den sogenannten Leguminosen spielt global Soja die größte Rolle, hat aber keinen besonders guten Ruf. Neuerdings macht daher die Erbse an dieser Stelle Karriere. Und der Großteil der jährlich 14 Mio. geernteten Tonnen Erbsen kommt aus den USA und Kanada. Aber: Die Erbse ist ein äußert komplexes Produkt in puncto Anbau, sodass sie den langfristig steigenden Bedarf nicht wird decken können. Bleibt also die Frage, welche Proteine es noch gibt? Das Rapsprotein ist im gegenwärtigen Zustand zu bitter. Man könnte daher noch stärker in Richtung Sonnenblume und Proteinmehle gehen, die als Nebenprodukt der Herstellung dieser Öle übrigbleiben.

Frage: Wie ließe sich diese Problematik vergleichsweise kurzfristig lösen?

Volker Heinz: Weizen ist nach wie vor die größte und vor allem leicht beschaffbare Proteinquelle – hat aber wie Soja ebenfalls schlechte Presse. Dennoch: Wenn man kurzfristig viel erreichen will, wird man anteilig nicht um die Hinzunahme von Quellen wie Weizenprotein herumkommen. Zudem gibt es noch eine Quelle, die in Hülle und Fülle vorhanden ist, nämlich Proteine aus Gras. Während die enthaltene Zellulose nicht gut verdaulich ist, lässt sich das Eiweiß sehr gut extrahieren. Das Protein direkt aus Gras zu gewinnen ist fünfmal effizienter, als erst den Umweg über das Rind zu nehmen.

Frage: Welchen Anteil werden tierische Proteine im Verhältnis zu pflanzlichen in 10 Jahren haben?

Volker Heinz: Der genaue Status Quo ist derzeit nicht so richtig zu ermitteln, will sagen eine Antwort auf die Frage, wie viel Prozent derzeit in diese Kategorie – der pflanzlichen Proteine – entfallen, ist schwer. Wir gehen in unserer Arbeit von einem Wert von 5 Prozent aus. Auf dieser Basis halten wir bis 2030 mindestens 10 Prozent, mit Potenzial bis zu 20 Prozent, für machbar.

 

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