„Im Flat-Pack-Farming jüngere und ältere Generationen verbinden“

Das Konzept der ganzjährigen Weidehaltung von Kühen war lange Zeit in Deutschland komplett unbekannt. Dann kamen Stephen Costello und sein Bruder Paul, Geschäftsführer der Agrargesellschaft Emster-Land mbH und führten das System auch in Deutschland ein. Ein Gespräch mit Stephen Costello über ganzjährige Weidehaltung, Herausforderungen in der Land- und Viehwirtschaft und wie er diese mit seinem „Flat-Pack-Farming“-Konzept revolutionieren möchte.

Sie sind Rinderhalter des Jahres – wir gratulieren natürlich zunächst. Was hat Sie zum Einstieg in den deutschen Agrarmarkt bewogen und wie kommt man auf die Idee zur ganzjährigen Weidehaltung, die in Deutschland weitgehend unbekannt ist?

Unser Familienunternehmen hatte bereits seit 1992 einen Standort in Deutschland. 2010 haben wir den Schweinemastbetrieb unseres Vaters übernommen und zunächst innovativere Haltungsarten und eine Biogasanlage integriert.
Aber: Es lag uns am Herzen, etwas Neues bzw. ein Nischenprodukt auf die Beine zu stellen. Daher erwarben wir 2014 eine benachbarte Genossenschaft mit zunächst 400 Hochleistungskühen und ungenutzten Weideflächen. Da wir diese Art Hochleistungsbetrieb nicht weiterführen wollten, bedurfte es einer Alternative mit Mehrwert. In unserer Heimat Irland ist es üblich, die Kühe das ganze Jahr auf der Weide zu lassen und auf den Stall zu verzichten. Das ist hierzulande eine Ausnahme und war noch 2014 für viele unvorstellbar – doch wir glaubten daran, dass es funktioniert.

Was machen Sie bei sich am Hof anders als Ihre Konkurrenten und wie grenzen Sie Ihre Weidemilch von Biomilch ab?

Der wohl größte Unterschied zu anderen Milchviehbetrieben ist: Unsere Kühe stehen dauerhaft auf der Weide und ernähren sich ausschließlich vom Weidegras. Ab Anfang Februar kalben sämtliche Kühe binnen 6 Wochen ab, was etwas unüblich ist, aber für uns wichtig. Denn: Wir stimmen Graswuchs- und Laktationskurve aufeinander ab – d.h. beide erreichen ihren Höhepunkt, wenn alle Kühe abgekalbt haben und der Muttermilchbedarf am größten ist.
Deutsche Betriebe arbeiten in der Regel mit reinrassigen Tieren. Doch wir haben uns an dieser Stelle von der Schweinezucht inspirieren lassen. Unsere Jersey-Holstein-Kreuzkühe, oder wie wir sie nennen, F1 Kiwi-Cross, sind bessere Futterverwerter und viel robuster als Reinrassige. Sie produzieren zwar 50 % weniger Milch, leben dafür aber fast 3-mal länger. Auch unser Auslauf ist 500-mal größer als für eine Bio-Zertifizierung notwendig, dennoch haben wir uns dagegen entschieden, da dieses Zertifikat für uns nicht die Lösung aller Herausforderungen in der Viehwirtschaft ist. 

Ganzjährige Weidehaltung mit Jersey-Holstein-Kreuzkühen

In welche Richtung wollen Sie den Hof künftig entwickeln – und welche Schwerpunkte wollen Sie dabei setzen?

Unser Hauptziel für die Zukunft ist das „Flat-Pack-Farming“-Konzept, wir wollen die ältere und die jüngere Generation verbinden. In der Landwirtschaft verändert sich viel und älteren Betrieben fehlen oft Energie und Betriebsmittel, um die notwendigen Umbaumaßnahmen durchzuführen. Unser Konzept ist es, jüngeren Landwirt-Generationen dabei zu helfen, die Betriebe, die sie übernehmen, mit unserem „Flat-Pack-Farming“ System zu aktualisieren. D.h. sie übernehmen den Betrieb, wir stellen Weidesystem und Anlagen zur Verfügung. So finanzieren wir den Umbau und bieten der jungen Generation eine Möglichkeit, einen landwirtschaftlichen Betrieb ohne entsprechendes Kapital aufzubauen.  

Hinzu kommt ein „Shared-Farming-Konzept“, d.h. aneinandergrenzende Betriebe können sich kostenintensive Melkstände teilen. Da es in der Regel einfacher ist, mehrere Betriebe mit kleinen Herden zu finden, lohnt es sich, wenn diese sich zusammenschließen und einen Melkstand mit hoher Kapazität teilen und gleichzeitig ihr Investitionsrisiko minimieren. Sie nutzen unsere Anlage und wir unterstützen sie im Anschluss mit Branding, Vermarktung und einer eigenen Molkerei für unsere „Grasmilch Brandenburg“.

Sie arbeiten seit langem mit der NORD/LB zusammen. Was war das erste Projekt und wo stehen Sie heute?

Unser erstes Projekt war eine Biogasanlage bei Frankfurt an der Oder. Dies war ein langer, intensiver Prozess, bis wir alles unter Dach und Fach hatten. Dennoch war er auch vergleichsweise einfach, wenn man die Herausforderungen in den letzten Jahren betrachtet, Covid und die Ukrainekrise beeinflussen auch uns und unsere Zukunftspläne, aber wir haben mit der NORD/LB den richtigen Partner gefunden. Bei der Wahl der Bank war es für uns die oberste Priorität, einen Firmenkundenberater zu finden, der die Landwirtschaft versteht – ein hoher Anspruch, da die Prozesse in der Landwirtschaft oft komplex sind. Mit der NORD/LB haben wir an dieser Stelle einen verständnisvollen, erfahrenen Partner gefunden. Und auch bei unserem nächsten Vorhaben, der eigenen Molkerei, steht sie hinter uns.

Statement von Dr. Timm Georg, Firmenkundenbetreuer der NORD/LB

Herr Georg, was macht eine Zusammenarbeit wie die mit den Costello Brüdern so besonders?

Es ist eine sehr vielseitige Unternehmensgruppe mit hohem innovativen Potential. Das macht unsere Arbeit sehr spannend, aber auch anspruchsvoll. Die Unternehmensgruppe deckt so ziemlich die gesamte Palette aktueller Agrarthemen ab: neben Weidemilch sind das Biomethanproduktion, Tierwohlfragestellungen, Effizienzverbesserungen bei Produktionsverfahren. Am Ende gilt es, hohe Naturalerträge bei minimalen negativen Umweltwirkungen und unter Einhaltung festgelegter Tierwohlstandards zu erzielen. Hier sind Unternehmer wie Familie Costello gefragt, die ihre Prozesse ständig im Sinne einer nachhaltigen Flächenbewirtschaftung und Tierhaltung hinterfragen und sich gleichzeitig in einem anspruchsvollen Wettbewerbsumfeld behaupten können.

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